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Samstag, 20.04.24, 11:29:54
Genforschung in Deutschland

Wissenschaftler auf der ganzen Welt sind mit der Entschlüsselung des menschlichen Erbguts befasst. In Deutschland ist ein Großteil von ihnen im "Deutsche Human Genom Projekt" organisiert.

Das menschliche Genom, also die gesamte menschliche Erbinformation, besteht aus 3,2 Milliarden Bausteinen, von denen aber nur rund zwei Prozent die Erbsubstanz im engeren Sinne ausmachen, die Gene (der Rest enthält nach heutigem Wissen keine Information). Insgesamt besitzt der Mensch etwa 30-40.000 Gene, verteilt auf 23 Chromosomen, die in jeder Körperzelle vorkommen.

Um herauszufinden, wie viele Gene der Mensch hat und wie sie sich auf den Chromosomen verteilen, wurde 1990 in den USA das "Human Genom Project" als internationales wissenschaftliches Großprojekt gestartet. 1995 stieg auch die Bundesrepublik mit einem nationalen Programm ein: dem "Deutschen Human Genom Projekt" (DHGP), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) getragen und bis Ende 2003 mit fast 400 Millionen Euro gefördert worden ist.

Die Investitionen haben sich gelohnt. Nachdem im Februar 2001 eine erste "Arbeitsversion" vorgelegt wurde, existiert seit April 2003 die vollständige Sequenzierung des menschlichen Genoms, d.h. man weiß jetzt, in welcher Abfolge die Bausteine auf den Chromosomen angeordnet sind. An dieser Entschlüsselung waren Wissenschaftler aus aller Welt beteiligt. Forschern vom Institut für Molekulare Biotechnologie in Jena, dem Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin und der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung in Braunschweig - die drei wissenschaftlichen Institutionen gehören dem DHGP an - ist es dabei unter anderem gelungen, das Chromosom 21 vollständig zu sequenzieren und in den 33,5 Millionen Bausteinen dieses Chromosoms 255 Gene zu identifizieren. Davon sind 98 noch völlig unbekannt, niemand weiß, was sie bewirken. Denn zu wissen, in welcher Reihenfolge die Gene auf der DNA vorkommen, heißt noch nicht, ihre Funktionsweise zu verstehen.

Wie funktionieren unsere Gene?

Der nächste wesentliche Schritt innerhalb des "Human Genom Projektes" besteht also darin herauszufinden, welche Funktionen die einzelnen Gene erfüllen. Innerhalb des DHGP forschen rund 100 selbstständige Arbeitsgruppen auf verschiedenen Gebieten (etwa Genexpression und -regulation, Modellorganismen, Bioinformatik und Biochiptechnologie) an dieser Fragestellung. Die Ergebnisse, die sie erzielen, werden in einer zentralen Datenbank gespeichert, die beim Ressourcenzentrum des Deutschen Human Genom Projektes angesiedelt ist. Neben dieser "Primärdatenbank" stellt das Ressourcenzentrum auch biologisches Material zur Verfügung, an dem die Wissenschaftler ihre Forschung betreiben, sowie bestimmte Technologien. Daten sowie biologisches Material sind für die Öffentlichkeit frei zugänglich.

Krankheitsorientierte Genomforschung

Die Genomforschung eröffnet völlig neue Chancen zur Bekämpfung von Krankheiten. Ein Großteil von ihnen ist durch mehrere Gene gleichzeitig bedingt und wird in Verbindung mit Umweltfaktoren ausgelöst. Dazu gehören Herz-Kreislauferkrankungen, die etwa die Hälfte aller Todesfälle in Deutschland verursachen. Mit steigender Lebenserwartung spielen auch Alterserkrankungen wie Alzheimer eine Rolle. Mit der expliziten Zielsetzung, Diagnose, Vorbeugung und Therapie wichtiger Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen zu verbessern, wurde 2001 ein eigenes Forschungsprojekt gegründet, das "Nationale Genomforschungsnetz" (NGFN), das vom BMBF mit jährlich 180 Millionen Euro gefördert wird. Ab 2004 stehen innerhalb dieses Forschungsprogramms pro Jahr 135 Millionen Euro zur Verfügung.

Den interdisziplinären Kernbereich des NGFN bilden über 300 Arbeitsgruppen und Forschungszentren aus den Bereichen der molekularen Genetik und Medizin, der Bioinformatik und Proteinforschung sowie Universitätskliniken und genetisch-epidemiologische Methodenzentren. Innerhalb dieses Forschungsnetzes gibt es wiederum fünf spezielle Gruppierungen, die sich der Erforschung der Krankheitskomplexe Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen des Nervensystems, Infektionen und Entzündungen sowie umweltbedingte Erkrankungen widmen.

Chancen und Risiken

Die Humangenomforschung ist sicherlich einer der innovativsten Wissenschaftszweige. Ihr gesundheitspolitisches Potenzial ist gewaltig, die sie begleitenden Technologien stellen einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Auch evolutionsgeschichtlich dürfte das Projekt von größtem Interesse sein. Denn was wird geschehen, wenn die Forscher zum Beispiel das Gen entdecken und zu manipulieren lernen, das die Alterung des Menschen bewirkt? Was passiert, wenn sie sich nicht mehr nur dem Ziel verschreiben, Krankheiten zu bekämpfen, sondern ihr Wissen über das Erbgut zu weniger hehren Zwecken missbrauchen?




Antonia Loick, Cleeves Communication UnitZwei
Redakteurin und Publizistin in Köln
Copyright: Goethe-Institut, Online-Redaktion

Januar 2004
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